Findet nach einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil eine nochmalige Schlüssigkeitsprüfung bei erneuter Säumnis statt?

Diese Frage kann man anhand eines kurzen Beispielfalls veranschaulichen: Der Beklagte hat nicht fristgerecht seine Verteidigung angezeigt. Daraufhin hat das Amtsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 4.500 € verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte Einspruch erhoben, ist allerdings im Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache säumig. Das Amtsgericht stellt nun fest, dass der Vortrag der Klagepartei schon von Beginn an nicht schlüssig ist.

An sich hätte somit der Beklagte bereits im ersten Versäumnisurteil nicht zur Zahlung verurteilt werden dürfen, weil die Klage von Anfang an nicht schlüssig war. Die Schlüssigkeit hat das Gericht bei Erlass eines Versäumnisurteils allerdings zu prüfen.

Wie ist nun zu verfahren, nachdem der Beklagte Einspruch eingelegt hat, allerdings erneut säumig ist? Findet nach einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil eine nochmalige Schlüssigkeitsprüfung bei erneuter Säumnis statt?

Die ganz herrschende Meinung: Nein

Grundsätzlich hat ein zweites Versäumnisurteil im Sinne von § 345 ZPO zu ergehen, das dann nur noch mit der Berufung angreifbar ist. Dabei sind die Voraussetzungen für den Erlass des ersten Versäumnisurteils im Termin nach § 341a ZPO (Einspruchstermin) nicht erneut zu prüfen und zwar weder die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der ersten Entscheidung, noch die Schlüssigkeit des geltend gemachten Anspruchs. Denn mit der erneuten Säumnis verzichtet der Säumige auf eine Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache.

Eine erneute Schlüssigkeitsprüfung hat somit nach herrschender Meinung nicht zu erfolgen.

Höchstrichterlich ist dies durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 06.05.1999 (V ZB 1 / 99) geklärt (wörtliches Zitat, Verweise wurden zur besseren Lesbarkeit entfernt):

„Ist dagegen aufgrund mündlicher Verhandlung durch Versäumnisurteil gegen den Beklagten erkannt, sind die Zulässigkeit der Klage, ihre Schlüssigkeit und die Voraussetzungen für den Erlaß eines Versäumnisurteils in dem versäumten Termin richterlich geprüft. Eine erneute Prüfung sieht § 345 ZPO im Rahmen der Entscheidung über den Einspruch nicht vor. Die in § 700 Abs. 6 ZPO getroffene Regelung würde ansonsten die Anordnung einer Prüfung bedeuten, die ohnehin vorzunehmen war.

Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist vielmehr ohne weiteres zu verwerfen, wenn die Partei, die den Einspruch eingelegt hat, in dem auf den Einspruch bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung wiederum nicht erscheint, nicht vertreten ist oder nicht verhandelt.

Die gegenteilige Auffassung findet keine Stütze im Gesetz.

Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung von §§ 330 ff. ZPO ist die Säumnis. Eine Partei ist im Sinne von §§ 330 ff. ZPO säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines notwendigen Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder nicht zur Sache verhandelt. Ein Unterschied zwischen der Säumnis im ersten Termin, in einem Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung oder in einem auf Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bestimmten Termin besteht nicht.

Gegen ein Versäumnisurteil findet der Einspruch statt (§ 338 ZPO). Durch einen zulässigen Einspruch wird der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO). Verbliebe es hierbei, hätte es eine Partei durch wiederholte Säumnis und jeweils wiederholten Einspruch in der Hand, eine prozeßabschließende Entscheidung beliebig zu verzögern. Um dies zu verhindern, schließt § 345 ZPO den Einspruch gegen ein „zweites“ Versäumnisurteil aus. Dem entspricht die in § 513 Abs. 2 ZPO bestimmte Beschränkung des Gegenstands der Anfechtung eines solchen Urteils im Berufungsverfahren.

Diese Beschränkung gilt nur insoweit nicht, als zur Begründung der Berufung geltend gemacht wird, die Säumnis im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch sei unabwendbar gewesen. Grund hierfür ist die Tatsache, daß Grundlage eines Urteils nicht die Versäumung eines Verhandlungstermins sein kann, an dessen Wahrnehmung eine Partei unverschuldet gehindert war (vgl. § 233 ZPO).“

Die Mindermeinung: Ja

Die Gegenauffassung bringt vor allem vor, dass nicht sehenden Auges etwas Unrechtes tituliert werden dürfe.

Anders beim Vollstreckungsbescheid

Hiervon selbstverständlich zu unterscheiden ist die notwendige Schlüssigkeitsprüfung nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid. Die Schlüssigkeit wurde ja bislang im Mahnverfahren überhaupt nicht geprüft, § 700 Abs. 6 ZPO.

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