Ist der rechtsgrundlose Besitzerwerb dem unentgeltlichen gleichzustellen (EBV)?

Eine wichtige Problematik im EBV (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) ist, ob der rechtsgrundlose Besitzerwerb dem unentgeltlichen Besitzerwerb gleichzustellen ist? Konkret heißt das, ob eine analoge Anwendung des § 988 BGB möglich ist.

 

§ 988 BGB regelt den Nutzungsersatz den der Eigentümer vom unentgeltlichen Besitzer verlangen kann.

 

Beispiel:

Eigentümer ET verleiht an den Leiher L. Dieser schließt über die Sache einen Mietvertrag mit Mieter M, der jedoch unwirksam ist. Fraglich ist nun, ob ET von M den Ersatz der Nutzungen verlangen kann, § 988 BGB.

 

Eine Vindikationslage liegt vor. ET ist Eigentümer und M Besitzer ohne Besitzrecht (unwirksamer Mietvertrag). Nach § 988 BGB könnte ET den Nutzungsersatz verlangen, wenn M unentgeltlich besitzt. Dies ist aber gerade nicht der Fall, er besitzt nur rechtsgrundlos (die Miete hat er ja gezahlt).

Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft keine Gegenleistung vorsah.

 

Die Vorschrift des § 988 BGB

Hat ein Besitzer, der die Sache als ihm gehörig oder zum Zwecke der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Nutzungsrechts an der Sache besitzt, den Besitz unentgeltlich erlangt, so ist er dem Eigentümer gegenüber zur Herausgabe der Nutzungen, die er vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit zieht, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.

 

BGH:

Nach der BGH ist eine analoge Anwendung des § 988 BGB auf den rechtsgrundlosen Besitz möglich.

  • Die § 987 ff. BGB bilden eine allgemeine Sonderregelung bezüglich der Nutzungen, sodass §§ 812 ff. BGB (die ungerechtfertigte Bereicherung, eigentlich einschlägig für Handlungen ohne Rechtsgrund)
  • Rechtsgrundlos erwerbende Besitzer dürfen nicht besser stehen als rechtsgrundlos erwerbende Eigentümer. Der rechtsgrundlos erwerbende Eigentümer müsste nach § 812 I S. 1 das Eigentum zurückgeben und nach § 818 I die Nutzungen herausgeben.

Literatur

Die herrschende Ansicht in der Literatur verneint die analoge Anwendung des § 988 BGB auf den rechtsgrundlos erworbenen Besitz. Durchbrechung der Sperrwirkung und Lösung über das Bereicherungsrecht

  • Die §§ 812 ff. BGB seien für die Leistungskondiktion (Ohne Rechtsgrund) eine speziellere Regelung.
  • Der rechtsgrundlose Besitzer trägt das Risiko der Insolvenz (hat einen Anspruch gegen L)

 

Streitentscheidung

Die Streitentscheidung hängt von der Fallgestaltung ab.

  1. Eigentümer vermietet an gutgläubigen Besitzer, der nutzt. Mietvertrag ist unwirksam. Nutzungsersatz des Eigentümers über § 988 BGB analog nach BGH oder § 812 BGB nach Literatur führen zum selben Ergebnis. Da § 988 BGB eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht ist, kommen beide Ansichten zum selben Ergebnis (Nutzungsersatz über § 818 I BGB).
  2. Konstellation im Beispiel oben: Nach der Lösung des BGH hätte ET einen Anspruch gegen M. Nach der Literatur hätte er diesen nicht. §§ 812, 818 ET gg. M (-), da vorrangige Leistung ET – L. Streitentscheidung für Literatur, Abwicklung über das Dreieck: ET hält sich an L und L an M.

 

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