Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht einer Gemeinde
Wichtig: Die nachfolgende Darstellung nimmt die Pflichten eines Hoheitsträgers, einer Gemeinde, auf. Die Ausführungen können nicht auf die Verkehrssicherungspflichten eines privaten Grundstückseigentümers übertragen werden.
- Gesetzliche Grundlage: In Baden-Württemberg folgt die Räum- und Streupflicht der Gemeinden für öffentliche Straßen aus § 41 Abs. 1 StrG BW. Die Pflicht zum Räumen und Streuen ist eine öffentlich-rechtliche Amtspflicht, deren Inhalt sich im Wesentlichen mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht deckt.
- Folge einer Verletzung: Eine Verletzung dieser Pflicht kann einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG begründen.
- Grundsatz der Räum- und Streupflicht: Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
- Hierbei sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges, die Gefährlichkeit des Weges und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs zu berücksichtigen.
- Die Räum- und Streupflicht steht dabei unter dem Vorbehalt des Zumutbaren
- Lediglich für gänzlich verkehrsunbedeutende Wege besteht keine Streupflicht. Alle Wege, denen ein Verkehrsbedürfnis nicht abgesprochen werden kann, sind zu bestreuen.
- Unterscheidung der Pflichten nach Lage und Art der Straße:
- Eine Reinigungspflicht besteht innerhalb der geschlossenen Ortslage bei öffentlichen Straßen einschließlich den Ortsdurchfahrten.
- Erfasst sind hierbei Gehwege, Fußgängerüberwege und besonders gefährliche Fahrbahnstellen bei Glätte.
- Innerhalb der geschlossenen Ortschaft ist die folgende Unterscheidung wichtig: Bei Gehwegen gilt der Grundsatz, dass bei diesen eine Räum- und Streupflicht dann besteht, wenn auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet. Bei Fahrbahnen ist anerkannt, dass die Fahrbahn der Straßen nur an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen bei Glätte zu streuen ist.
- Außerhalb der geschlossenen Ortschaft sind nur besonders gefährliche Stellen zu bestreuen. Eine Räum- und Streupflicht setzt grundsätzlich eine allgemeine Glättebildung und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen voraus. Es muss also eine konkrete Gefahrenlage bestehen.
- Eine Reinigungspflicht besteht innerhalb der geschlossenen Ortslage bei öffentlichen Straßen einschließlich den Ortsdurchfahrten.
- Zeitliche Grenzen:
- Der Räumdienst braucht erst angemessene Zeit nach Eintritt der Glätte zu beginnen , morgens vor allgemeinem Hauptberufsverkehr.
- Streuen ist in angemessener Zeit zu wiederholen, wenn Streugut keine Wirkung mehr hat.
- Bei anhaltendem Schneefall kann Streuen unterbleiben, sofern es wirkungslos wäre.
- Die Gemeinde kann nach Wichtigkeit abgestuft vorgehen.
- Hierbei kann niemand erwarten, dass kurze Zeit nach Einsetzen des Schneefalls bereits eine Räumung erfolgt ist.
- Wie ist zu räumen? Die Rechtsprechung erachtet bei Gehwegen Räumung eines 1 – 1,2 m breiten Streifens, sofern keine besondere Gefahrenstelle oder stark frequentierter Bereich (Haltestellen, Bahnhöfe). Räumung bis zum Gehwegrand nicht notwendig
- Beweislast:
- Der Geschädigte muss einen Glättezustand im Verantwortungsbereich des Streupflichtigen und dass er innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht zu Fall gekommen ist, beweisen.
- Sturz auf schneebedecktem Weg begründet keinen Anscheinsbeweis für Verletzung der Streupflicht
- Anscheinsbeweis besteht aber für Kausalität / Ursächlichkeit der Streupflichtverletzung und des Unfalls
- Mitverschulden: Fußgänger kann nicht erwarten, dass Gehweg sich in völlig gefahrlosem Zustand befindet. Er muss mit einzelnen Glättestellen oder Stellen mit festgetretenem Schnee rechnen und sich darauf einstellen (Einwand des Mitverschuldens)