Was ist eine qualifizierte Belehrung?

Im Rahmen der Revisionsklausur und auch der Begutachtung von Verfahrensfehlern sind Verstöße gegen Belehrungspflichten häufig vorzufinden. Insbesondere sind Zeugen nach § 52 III S. 1 StPO und Beschuldigte nach § 136 I 1 StPO, § 163 StPO zu belehren.

 

Situation einer qualifizierten Belehrung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es aber auch noch eine qualifizierte Belehrungspflicht. Diese Verpflichtung liegt vor, wenn der Beschuldigte irrtümlich nur als Zeuge und nicht als Beschuldigter belehrt wurde. Aussagen, die im Rahmen dieser falschen Belehrung zustande kamen (etwa weil die Vernehmungsbeamten noch von einer Zeugenstellung ausgingen, obwohl der Beschuldigte bereits ein solcher war), sind unverwertbar.

Kommt es nun zu einer zweiten Vernehmung, muss der Beschuldigte nach §§ 136, 163 als Beschuldigter belehrt UND zusätzlich darüber belehrt werden, dass seine Aussagen aus der vorangegangenen Vernehmung nicht verwertet werden können (sog. qualifizierte Belehrung).

 

Begründung

  • Das Recht zum Schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, sind Kernstücke des fairen Verfahrens, das nach Art. 6 EMRK garantiert wird.
  • Mit diesem Hintergrund muss der Rechtsstaat Sorge dafür tragen, dass ein Beschuldigter nur deshalb aussagt, weil er irrtümlich denkt, dass seine vorherigen Angaben nicht mehr aus der Welt geschaffen werden können und ihn sowieso belasten.

 

Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die qualifizierte Belehrungspflicht

Allerdings führt nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18.12.2008, 4 StR 455/08) ein Verstoß gegen die qualifizierte Belehrungspflicht nicht per se zu einer Unverwertbarkeit der Aussage im späteren gerichtlichen Verfahren (Beweisverwertungsverbot). Denn ein Verstoß gegen die qualifizierte Belehrung wirkt nicht so schwer wie ein Verstoß gegen die allgemeine Belehrungspflicht nach § 136 StPO. Deshalb ist eine Abwägung vorzunehmen.

In dieser sind folgende Abwägungsgesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • Gewicht des Verfahrensverstoßes
  • Wurde die Zeugenbelehrung als bewusste Umgehung durch die Vernehmungsbeamten getätigt?
  • Interesse an der Sachaufklärung
  • Ging der Beschuldigte davon aus, dass er von seiner früheren Aussage nicht mehr abrücken kann? Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die zweite Vernehmung nur eine Wiederholung oder Fortsetzung der ersten Vernehmung darstellt.
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